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Vom Umgang mit kritischer Weinberichterstattung

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Wie bereits am vergangenen Freitag angekündigt, stelle ich meine Antwort auf die Reaktion des Pressesprechers der Winzervereinigung Freyburg-Unstrut hier als offenen Brief vor.


















Sehr geehrter Herr Lies,



vielen Dank für Ihr ausführliches Feedback, zu meinen Artikel anlässlich der Jungweinprobe der Winzervereinigung Freyburg-Unstrut am 6. April 2013.

Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass Sie sich mit Ihrer Reaktion vor Ihre Mitarbeiter und Erzeugnisse stellen. Anders hätte ich es auch nicht erwartet, zudem wird in Ansätzen erkenntlich, dass Sie einen Konsens sehen bzw. suchen.

Demgegenüber bin ich davon ausgegangen, dass Sie bzw. die Winzervereinigung souveräner mit dem ganzen Sachverhalt umgehen würden. Als Blogger, der Aufmerksamkeit mit seinen Artikeln erzielen möchte, nutze ich teilweise ganz bewusst einen provokativen Schreibstil. Zugleich ist es mir wichtig, meinen Lesern weitergehende Informationen zu bieten und so habe ich die möglichen Ursachen für die verkosteten Bittertöne aufgezeigt, ohne diese in eine direkte Verbindung mit den verkosteten Weinen oder der Arbeit des/der Kellermeister zu bringen.

In Ihrer Antwort befinden sich neben provokanten Aussagen auch süffisante, bisweilen polemische und in Ansätzen zynische Elemente. Ob dieser Stil einem Unternehmen angemessen ist, lasse ich dahin gestellt, ich sehe es jedenfalls als inadäquat an. Um die von Ihnen eingebrachte emotionale Schärfe heraus zu nehmen, versuche ich so nüchtern wie möglich, Ihre Argumentatiosstruktur zu betrachten und stelle meine Antwort auf Ihre E-Mail zu allgemeinen Diskussion. Vielleicht ergeben sich für beide Seiten neue Erkenntnisse. 





1. Hinsichtlich der Subjektivität von Geschmack im Allgemeinen und Weinbewertungen im Speziellen besteht Einigkeit, so schrieb ich bereits in meinem Artikel, dass meine Verkostungsnotizen auf rein subjektiven Empfinden beruhen. 





2. Ihren Weinen habe ich keine echten Weinfehler nachgesagt, sondern sogar die Hoffnung hervor gehoben, dass es sich nicht um solche Fehler handelt. Mir ging es lediglich darum, den Lesern des Blogs diesen Fehler vorzustellen und als mögliche Ursache zu benennen. 





3. Ich maße mir nicht an, mögliche Fehler im Keller aus der Ferne zu diagnostizieren. Die angeführten Aspekte stammen auch nicht aus einem Lexikon, sondern beruhen auf Meinungen befreundeter Winzer und Weinküfer, die mögliche Ursachen so wie ich betrachten. Folgerichtig habe ich die Ursachen für die Bitter- und Petrolnoten als Vermutung tituliert und Ihnen keine konkreten Fehler unterstellt. Auch in diesem Fall ging es mir in erster Linie darum, für meine Leser mögliche Ursachen zu beleuchten.





4. Unterschiedliche Studien verweisen auf einen signifikanten Anstieg von Bittertönen insbesondere bei Weißweinen. Dieser Anstieg wird allgemein als kritisch bewertet und ist insbesondere für die Qualität von Weißwein als abträglich einzustufen (siehe dazu: Forschungsbericht Molekular-sensorische Charakterisierung und technologische Vermeidung des bitteren Fehlgeschmacks in Weißwein des Forschungskreis der Ernährungsindustrie E.V.). In diesem Bericht wird ferner angeführt, dass naturbedingte Bittertöne im Weinkeller verstärkt werden können, so dass gegebenenfalls auch von einem „Kellerton“ gesprochen werden kann. 






5. Es würde den Rahmen dieser Antwort sprengen, wenn ich auf die Unterschiede der gustatorischen Wahrnehmung näher eingehen würde. Hingegen frage ich mich, warum Sie darauf verweisen, dass man vielfach auch das schmeckt, was man schmecken wollte. Wollen Sie damit andeuten, ich hätte die Bittertöne vorurteilsbehaftet schmecken wollen, um anschließend negativ darüber zu berichten? Wenn ja, wäre das aus meiner Sicht ein ziemlich schlechter Versuch, meine geschmackliche Bewertung in Frage zu stellen. 





6. Sie stellen als „Quasi-Gegenbeweis“ heraus, dass externe Zungen diese bitteren Geschmacksnoten nicht als derart „verheerend“ empfanden, und führen im selben Absatz weiter aus, dass die meisten von mir angeführten Weine auf Landes- und Bundesebene mit Silber und Bronze belohnt wurden. Das lässt meine eigene Bewertung zugegebenermaßen zunächst schlecht aussehen, unabhängig davon, dass auch bei diesen Prämierungen subjektiv bewertet wird und kein Indiz für eine allgemeingültige Aussage hinsichtlich des Geschmacks und die Qualität der Wein darstellt.





Nur warum finden sich auf der Homepage der Winzervereinigung zu den Weinen des Jahrgangs 2012 keine Hinweise auf erfolgte Prämierungen? Auf Gebiets- und Landesebene fanden nach meinem Kenntnisstand für den Jahrgang 2012 jedenfalls noch keine Prämierungen statt. In der aktuellen Liste (Stand: 18. April 2013) des Deutschen Weinsiegels für die geprüften Weine der letzten 365 Tage findet sich ebenfalls kein Wein Ihres Hauses. Bei der Bundesweinprämierung der Weine 2013 von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft sind sieben Weine Ihres Hauses verzeichnet, von denen zwei mit Silber und fünf mit Bronze ausgezeichnet wurden. Allerdings waren es sechs Weine des Jahrgangs 2011 und nur einer des Jahrgangs 2012 - der 2012er Müller-Thurgau DQW trocken mit einer DLG Medaille in Silber (Prämierungsverzeichnis der DLG – Stand 18. April 2013). Vor diesem Hintergrund verliert Ihr Argument für mich erheblich an Gewicht.




Lassen Sie mich die Bundesweinprämierung ein wenig hinterleuchten: Geprüft werden beim Wein nur die Erzeugnisse, die zuvor erfolgreich bei einer Landes- oder Gebietsweinprämierung, der Auszeichnung Deutsche Güteband Wein oder Auszeichnung Deutsches Weinsiegel mit mindestens 3,50 Punkten bewertet wurden. Prinzipiell liegt es im Ermessen eines jeden Unternehmens, ob und welche Weine zu dieser Bundesweinprüfung angemeldet werden. Daraus folgt, dass natürlich nur die Weine angemeldet werden, die in erster Linie Aussicht auf Erfolg versprechen. Schelm, wer dabei Böses denkt. 





Ihr 2012er Müller-Thurgau DQW trocken erzielte in der Prüfung jedenfalls zwischen 4,00 und 4,49 von 5,00 Punkten, das ist sicher keine schlechte Auszeichnung, bedeutet aber zugleich, dass es zu Gold nicht reichte. Abschließend komme ich nicht umhin zu fragen, wie Sie anführen können, dass die meisten der von mir verkosteten Weine mit Silber und Bronze ausgezeichnet wurden, wenn nach meinen Recherchen bislang nur eine Auszeichnung veröffentlich wurde?





7. Zwei bei der Jungweinprobe anwesende Journalisten kamen zu anderen Bewertungen als meine Begleitung und ich. Und? Es liegt mir fern, die Weinerfahrungen dieser Journalisten in Frage zu stellen und ob Sie Petrolnoten auch als solche erkennen und benennen könnten. Allerdings wäre es schön, wenn Sie benannt hätten, aus welchem Ressort (Auto, Sport, Kultur etc.?) diese Personen stammen? Warum heben sie Arbeitsweise der Berufsgruppe so deutlich hervor. Wollen Sie mir eine ähnliche Sorgfalt absprechen? Den Verweis auf ein Wein-Glossar lasse ich unkommentiert.





8. Ãœber Ihre im Zusammenhang mit der Kellerführung getätigte Aussage der vorgegaukelten Wahrnehmung kann ich hinweg sehen, aber mir eine negative Konditionierung nachzusagen, ist vollkommen deplatziert und verletzend. 





9. Buttersäure gehört unbezweifelt zu den Fetten bzw. Fettsäuren. Indes gibt es keine eigenständige Geschmacksrichtung Buttersäure, so wie es auch keine eigenständige Geschmacksrichtung Zucker gibt. Die gustatorische Wahrnehmung beschreibt die gesamte Geschmacksrichtung (Oberbegriffe) und nicht einzelne Stoffe (Unterbegriffe). Daher ist es sachlich und fachlich falsch, Buttersäure als eigenständige Geschmacksrichtung zu benennen.





10. Jeglicher Spott gegen Ihre Mitarbeiter, Produkte und die gesamte Winzervereinigung liegt mir fern. Sollte in meinem Artikel dieser Eindruck entstanden sein, entschuldige ich mich dafür. Die grüne Lese ist unbestritten eine Maßnahme der Qualitätssicherung bzw. –steigerung, und daher stellte ich diese in meinem Artikel nicht in Abrede. Ansatzpunkt meiner Kritik war, dass die Mitarbeiterin diese Maßnahme als besonderes Merkmal der Vereinigung hervorhob und in einem Atemzug mit der qualitativ hochwertigen Ertragsbegrenzung von 70 hl/ha benannte. Wie Sie selbst anführen, gibt es jährliche Schwankungen in der Erntemenge. Wenn ich die Zahlen des Weinbauverbandes Saale-Unstrut zu Grunde lege, lag das allgemeine Mittel des Anbaugebiets in den Jahren 1994-2011 bei 50hl/ha gegenüber 70 hl/ha in Ihrer Vereinigung. Nun erklären Sie mir bitte, wo liegt in dieser höheren Produktion der Qualitätsgedanke?





11. Wird Ihre Vereinigung nicht auch von Winzern getragen/genutzt, die zum Teil sehr kleine Anbauflächen sowie ein starkes Interesse daran haben, den bestmöglichen Gewinn für Ihre Trauben zu erzielen? So stelle ich in den Raum, dass viele Ihrer Mitglieder auch auf Masse setzen (müssen), wenn sich der Anbau und die Arbeit im Weinberg noch rentieren sollen. Oder liege ich mit diesen Annahmen völlig daneben? Mir geht lediglich darum, keine falschen Argumente ins Feld zu führen, die aus dem Zusammenhang gerissen sind und den Teilnehmern der Kellerführung ein falsches Bild vorgaukeln. 





12. Über Ihre letzten beiden Absätze kann ich nur schmunzeln. Ich wünsche weder eine Erstattung des Eintrittspreises zur Kellerführung noch möchte ich ein Weinseminar Ihres Hauses besuchen, da ich keinen weiteren Cent bereuen möchte.

 


Summa summarum komme ich nicht umhin, Ihre Antwort keinesfalls als angemessene Reaktion auf meinen Artikel und die dabei erstellten Verkostungsnotizen zu werten. In meiner E-Mail an den Geschäftsführer Ihres Hauses signalisierte ich deutlich, dass ich an einem kooperativen und sachdienlichen Dialog interessiert bin.



Entschuldigen Sie bitte, Herr Lies, ein souveräner Umgang mit Kundenkritik sieht für mich anders aus.





Vineuze Groetjes


Huub Dykhuizen 



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