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Gastbeitrag - Was bedeutet Wein für mich?

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Der vierte Gastbeitrag ist von meiner lieben Bloggerfreundin susa und ich kann Euch nicht nur den heutigen Artikel - der frauentypisch sehr knapp ausgefallen ist (ja, Huubs Ironie lässt grüßen) sondern auch ihr Blog nur wärmstens empfehlen. Und ich kann dabei nur hoffen, dass susas Weine nicht auch bei 180 Grad getrunken werden ...








Als Weinnarr gilt man ja als nicht ganz von dieser Welt. Dass man ohne große Not bereit ist, wenn es das Portemonnaie hergibt (und manchmal sogar, wenn nicht), einen dreistelligen Eurobetrag (bis vierstellig ist es bei mir noch nicht geworden) für nur eine Flasche Wein auszugeben…. 

Dass man bei jedem Essen länger sinniert, welchen Wein man wohl dazu aufziehen soll, vielleicht den im letzten Südtirolurlaub erstandenen Gewürztraminer? Oder doch diesen wunderbaren alten Riesling mit den feinen Firnnoten? Oder was von der Loire? Und dann muss der Nichtweinfreund schwer aufpassen, dass er dem Weinfreund kein "falsches" Stichwort gibt, sonst muss er sich alles vom letzten Urlaub in Bordeaux, vom Besuch bei Winzer X und der Verkostung Y, von Weinmessen, Weinproben und Weinseminaren anhören.





Ich geb's zu, wir sind nicht immer leicht zu haben, wir Wein-Afficionados. Denn, wes des Herz voll ist, des läuft der Mund über. Weiß schon der Volksmund.





Aber warum ist das so?





Klar, die meisten Menschen haben ein Hobby, eine Leidenschaft, etwas an das sie Herz (und manchmal sogar ein wenig den Verstand, vom Geld ganz zu schweigen) verlieren: Briefmarken, Modelleisenbahnen, Skifahren, Opern, Handwerkeln, Pralinen machen, die Liste ist endlos lang. Und eben Wein.





Und ich bild mir ein, mit dem Wein ist es ein wenig anders als mit all den anderen Hobbies und Leidenschaften. Schon deswegen, weil Wein so alt ist (also jetzt nicht die Flaschen in meinem Keller, obwohl da sicher die eine oder andere darunter ist, die besser vor ein paar Jahren getrunken worden wäre – das Schicksal eines Weinsammlers, man kennt das ja). Nein, Wein gibt es schon seit mehr als 5000 Jahren und Wein war seit Menschengedenken mehr als nur ein Nahrungs- oder Genussmittel. Er war Medizin, er war Bestandteil kultischer und religiöser Zeremonien, er galt als die Verbindung des Menschen mit dem Göttlichen. Brot und Wein, die beiden elementaren Lebensmittel, Symbol für Leben, für Kraft, für den göttlichen Bund mit den Menschen.





Ein guter Wein kann einen berühren wie ein gutes Buch, wie eine gute Musik, ein Bild. Die Fülle der Aromen, die sanfte Textur wie sie über Zunge und Gaumen streicht, Kraft, Süße, Eleganz. Ein kluger junger Mann hat vor nicht allzu langer Zeit einen sehr klugen Satz geschrieben: Ein guter Wein muss immer eine Geschichte erzählen. 








Und die Weinnarren sind die, die den Geschichten zuhören, den Geschichten von Erde und Sonne, von Regen, Wind und Morgennebel. Sie riechen am Glas, sie nehmen einen Schluck Wein und sie träumen sich in ein Rebfeld mit reifen Trauben, in einen Keller, in dem es nach Wein getränktem Holzfass duftet, sie sehen den Winzer, der die Reben schneidet und bindet, der Trauben erntet.

Das klingt romantisch, und der Moment, in dem ein guter Wein uns sein Geheimnis mitteilt, schwingt Magie mit. Man ist glücklich und demütig zugleich, als ob man ein kleines Stück Seligkeit erleben durfte.










Nicht dass ich hier falsch verstanden werde: Natürlich ist Winzer sein nicht grundsätzlich romantisch wie in einer Ziegler-Produktion. Wenn es wochen- oder monatelang nicht aufhören will zu regnen oder die Erde so trocken ist, dass man beim Gang durch die Rebfelder droht, eine Staublunge zu bekommen, dann hat es sich mit dem Postkartenidyll. Wenn wieder ein neuer Stahltank angeschafft werden muss, wenn die Maische droht zu kippen oder diese ekelhaften japanischen Marienkäfer in die Presse geraten sind, dann pfeift der Winzer auf jede Romantik, wünscht sich, er wäre vielleicht doch lieber Lehrer geworden und tritt unter Ausstoß nicht zitierwürdigen Vokabulars mal ordentlich gegen die Kellertür und wirft mit Gegenständen, manche werfen dann auch das Handtuch.







Das wissen wir Weinnarren auch. Und auch deswegen lieben wir Wein und alles, was mit ihm zu tun hat, weil er noch ein Abenteuer ist, weil man nie vorher sagen kann, was am Ende herauskommt (es sei denn, man heißt Gallo und hat eine Fabrik, aber von so etwas ist hier nicht die Rede, das ist kein Wein, das nennt sich nur so) und weil jeder neue Jahrgang ein neues Glück bedeuten kann und ein Versprechen an die Zukunft. 

Meine Liebe zum Wein ist langsam aber stetig gewachsen. Erste Urlaube in Südfrankreich, Backpack, Interrail, Rosé in den 5 Literkanister abgefüllt und am Strand zu Baguette, Tomaten und Käse getrunken, Wind den Haaren, Flausen im Kopf und das Leben und die ganze Welt noch vor uns. 



Später dann Ernteeinsatz bei Onkel Erich, einem kleinen Nebenerwerbswinzer an der Mosel, zu dem die ganze Verwandtschaft zum Pflücken rangekarrt wurde. Tante kochte deftig und abends ging Onkel in den Keller "Des Fuder, des verkauf isch net, des is für die Tant un misch, des reicht grad, solang mir noch lebe ….", klarer Riesling aus dem Wasserglas. Bald wurden wir älter und reifer. Urlaubsreisen im eigenem Auto, Essen in Landgasthöfen, deren Adresse unter dem Siegel der Exklusivität weitergegeben wurde, Weine der benachbarten Winzer zum guten Essen, später dann die Sterne- und Haubengastronomie, geschulte Sommeliers mit unfehlbarer Zunge brachten Kellerschätze zu ausgewählten Kreationen. Eigene Vorlieben bilden sich heraus, die Zunge schmeckt immer mehr Feinheiten, die Nase verzeichnet immer zartere Düfte.











Zwei Menschen haben meine fortgeschrittene Weinleidenschaft geprägt, der eine ein Weinhändler, der mir meine allererste Flasche Bordeaux verkaufte, einen 1985 Château Canon; ein Erlebnis, das meine Weinwelt herumwirbelte und die mich diesem verführerischen Getränk vollends verfallen ließ. Der hat mich auf Bordeaux angefixt, genau so stell ich mir das vor, wenn einem auf einmal Horizonte erstehen, die man vorher niemals auch nur erahnt hat. Meine Liebe wird derzeit allerdings auf eine harte Probe gestellt, das muss ich zugeben.





Der andere ist der in meinem persönlichen Ranking der beste Sommelier, von dem ich das Vergnügen hatte, bedient zu werden, der es versteht, den Gast zu lesen, hoch spannende Weine zu den nicht weniger als perfekten kulinarischen Preziosen seines Chefs zu bringen und beides zu perfekter Harmonie zu verbinden, dabei einen manchmal auch unerwarteten Spannungsbogen aufbauend. 


Und das nicht nur mit den teuersten Weinen (die sind sowieso oft genug zu komplex, zu dominant, zu gewaltig zum Essen, die nimmt man lieber "pour la méditation" nachher). Ich rede von Stéphane Gass, dem Sommelier der Traube Tonbach. Von


dem versuche ich mir immer ganz viel abzuschauen.







Ein Leben ohne Wein? Ich möchte nicht versuchen, es mir vorzustellen. Man muss natürlich vorsichtig mit derlei Bemerkungen sein, man könnte schnell in den Verdachte geraten, es ginge weniger um den Wein als vielmehr um den Alkohol, der einen bereits in seinen Klauen hielte. Aber es ist nicht der Alkohol bzw. der Rausch, der mich am Wein begeistert. Es ist die unermessliche Vielfalt an Aromen, an Texturen, an Terroirs, es sind die Geschichten und auch die Begegnung mit wunderbaren Menschen, in deren Gesellschaft selbst der perfekteste Wein noch ein wenig perfekter wird.





In diesem Sinne, lieben Gruß










* Um den Rahmen nicht zu sprengen: dieser Weinpoesie habe ich nichts hinzuzufügen und will es auch gar nicht. Stattdessen sage ich leise: Hartejlik bedankt, Susa - jij bent een echte wijngek :)












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